Wake up – bevor die Welt vollends aus den Fugen gerät!

Eine Rezension von Maggie Werner

Plakat Wake up

Die Welt ist globalisiert, gelenkt und absolut kontrolliert von der Weltregierungspartei (WRP) per – ausschließlich jedem Untertan – implantiertem, vermeintlich harmlosem Chip. Allerdings ist ihr Gründer – körperlich und geistig verfallen – nicht mehr up to date: er beherrscht das ‚System‘ nicht mehr. Längst hat sich seine Tochter an die Spitze dessen gesetzt. In Verkennung der Lage überträgt er ihr die Macht, die sie de facto sowieso besitzt und auf perfide Art benutzt. Ihr faschistoider Machtmissbrauch zeigt sich weitaus subtiler als der des ausgedienten Vaters, geht aber in seinen Zielen darüber hinaus: die Menschheit soll ‚gereinigt‘ werden, ‚befreit‘ von jeder Andersartigkeit. In ihrem Größenwahn wittert sie nur noch Feinde und agiert entsprechend: sie duldet keinerlei Widerspruch!

Für Unwissende hatte irgendetwas das computergesteuerte System ins Wanken gebracht: plötzlich erkranken immer mehr Menschen auf mysteriöse Weise und es gibt erste – sogar regimetreue – Tote zu beklagen. Es trifft politische wie wissenschaftliche Mitstreiter der WRP genauso wie die Masse Mensch. Der Zweifel am vertrauten System ist unausweichlich, die Kontrolle dessen gerät trotz Verschärfung außer sich, die Verzweiflung nimmt zu. Widerstand regt sich auf unterschiedliche Art: mal todesgeweiht mutig, mal todesgeweiht verunsichert, mal todesbewusst handelnd. Orte des Widerstandes bilden sich, eine Untergrundbewegung (UGB) formiert sich, Fronten verschärfen sich, werden gewechselt – das faschistoide System ist dem Untergang geweiht. Die Weltöffentlichkeit hinterfragt, recherchiert, publiziert. Es ist fünf Minuten vor zwölf! Es muss gehandelt werden. Es wird: Die Deaktivierungssoftware für den Chip wird in Gang gesetzt: das technische System bricht zusammen und mit ihm das die Menschen beherrschend politische.

Eine Dystopie – erarbeitet und in einer eigens verfassten Story auf die Bühne gebracht. Wozu? Zumal sich haufenweise Assoziationen zu weltweit vorhandenen sofort auftun. Desgleichen finden wir Figuren-Typisierungen an der Spitze untergegangener ‚Weltreiche‘, aber auch existierender oder offensichtlich angestrebter: Big Brother is watching you! Was bewegte also den DS-Kurs zu ihrem Werk? Vermutlich der Drang, die eherne Thematik auf ihre Weise zu beleuchten und darin liegt auch sein Verdienst, daran ist er gewachsen, damit zeigte er uns, dass unser Leben droht, übernommen zu werden von Video-Clips und Special-Chips. Die eigene Kreativität war gefragt! Der Aufstand wurde geprobt! Ein Warnmärchen wurde präsentiert, drapiert um ‚Der Mann auf der Insel’ von Franz Hohler:

Es war einmal ein Mann, der lebte auf einer Insel. Eines Tages merkte er, dass die Insel zu zittern begann. ‚Sollte ich vielleicht etwas tun?‘, dachte er. Aber dann beschloss er abzuwarten. Wenig später fiel ein Stück seiner Insel ins Meer. Der Mann war beunruhigt. ‚Sollte ich vielleicht etwas tun?‘, dachte er. Aber als die Insel zu zittern aufhörte, beschloss er abzuwarten. ‚Bis jetzt‘, sagte er sich, ‚ist ja auch alles gut gegangen.‘ Es dauerte nicht lange, da versank die ganze Insel im Meer und mit ihr der Mann, der sie bewohnt hatte. ‚Vielleicht hätte ich doch etwas tun sollen‘, war sein letzter Gedanke, bevor er ertrank.   

Auch dieses Gleichnis ist ein Déjà-Vu: Brechts Karthago, Hohlers Inselstory, des DS-Kurses schöne neue Welt. Doch halt: Die DS-Truppe lässt die Menschheit in ihrer Spukgeschichte nicht bis in den Ruin abdriften, sie schreit rechtzeitig: WAKE UP! – bevor die Welt vollends aus den Fugen gerät. Das ist ihre Botschaft – mit ihrem mutigen Text und ihrer plausiblen Darstellung dessen – und die haben wir doch alle verstanden. Noch was? Sie kann sich freuen über die Gestaltung eines – für die Zuschauer zum Nachdenken anregenden – Abends mit allem Drum und Dran, was Theater ausmacht.

Die Darsteller und ihre Rollen

Weltregierungspartei: WRP – das inhumane System

Carlo Richter             Vater/Gründer (Martin Kraschzenko), alt und gebrechlich, de jure Vorsitzender der WRP

Jemy-Lee Vogt         Tochter (Tatjana) Kraschzenko, de facto Führerin der WRP, militant, faschistoid

Steffi Kuhn               Amanda Clark, führendes Mitglied der WRP, (erkrankt, ½ Tag zu leben, zu viel Wissen, Gefahr für Tatjana); beteiligt an Entwicklung des Chips, am Auslöschungssystem

Monique Krüger         Dr. Thompson, führendes Mitglied der WRP, 1. Todesopfer

Johanna Tews           Ursula Schmidt, führendes Mitglied der WRP, 2. Todesopfer, systemhörig – ambivalente Figur

Jack Ebert                Flo, einarmig, Träger des Zugangs zur DAS (Deaktivierungssoftware), lebender USB-Stick: bastelt am Ende Module zusammen, entschlüsselt das ‚System‘, was daraufhin in sich zusammenbricht

Carolin Deller            Sam, Informant der WRP, wechselt die Fronten, erpresst Parteichefin

Alexander Graichen    Wachmann, personifizierte Polizei und direkter Vollstrecker

Untergrundbewegung: UGB – Gegenspieler des Systems

Maria Molnár          Pia, Tochter von Ursula Schmidt, Vorsitzende der UGB

Jessica Spinger       Spencer, Inhaberin des Cafés zu den drei Lilien, UGB-Treffpunkt

Jasmin Brauer         Hannah, Spencers Schwester; haben Eltern durch Chip verloren, sind sensibilisiert für Problematik, Sympathisantinnen der UGB

Lena Wagner            Meg, Journalistin, Ziel: Reportage; bringt Recherche-Ergebnisse ein

Nick Schiffke             Joel, erkrankt, zunächst resigniert, dann aber aktiv: erzählt Insel-Gleichnis in Interviewszene, hilft Amanda letztlich in der Zentrale

Sophie Förster          Mandy mit Hündchen Rosi, UGB-Sympathisantin: akzeptiert Polizei-Restriktionen/Überwachung bezogen auf ihre „Bestie“ nicht 

Joane Slawitzski      Sympathisantin der UGB

Nhi Ha Le                  Dr. Peters, von "anderem Stern" kommend, will reale Welt reflektieren und scheitert an pragmatisch wissenschaftlicher Aufnahme der Fakten

Technik:                     Tim Benett, Tim Czaya, Elias Krause, Anh Nguyen (9d)

Unser herzlicher Dank gilt der Schulleitung, Herrn Pokowietz für die technische Unterstützung, dem Service- und dem Hausmeisterteam, die uns auf verschiedene Art und Weise zur Seite standen.

 

 

 

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